«Home Alone» von Regisseur Chris Columbus ist Kult und seit seiner Veröffentlichung 1990 nicht mehr aus dem vorweihnächtlichen Unterhaltungsprogramm wegzudenken. Kaum einer, der Kevins schreiende Grimmasse vor dem Badzimmerspiegel nicht kennt; kaum einer, der die Filmmusik noch nie gehört hat… Dass der kleine Kevin an den Kinokassen sogar das Blockbuster-Schwergewicht «Rocky V» mit Sylvester Stallone umhauen würde, hätte nach ersten Testvorführungen kaum einer gedacht. Bis auf Komponist John Williams: „Ich bin übergeschnappt wegen diesem Film. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es beim Publikum anders sein wird.“
Dies stimmte dann auch die Produzenten des Films zuversichtlich. Tarquin Gotch, einer der ausführenden Produzenten, erinnert sich: „Als John Williams zusagte, waren wir uns ob der Qualitäten des Films sicher. Diese Zusage sandte ein grosses Signal an die gesamte zweifelnde Industrie, nämlich, dass hier nicht einfach eine nächste Festtagskomödie am Entstehen ist, sondern ein besonderer Film.“
Kevin allein zu Haus
Im Zentrum des Geschehens von «Home Alone» steht der aufgeweckte 8-jährige Kevin (Macaulay Culkin). Er ist der jüngste Spross der turbulenten Grossfamilie McCallister, wohnhaft in einem Vorort von Chicago. Als sie alle zusammen in den Weihnachtsurlaub nach Paris verreisen wollen, wird Kevin versehentlich zuhause vergessen.
Allein zuhause will sich Kevin deswegen nicht die Weihnachtstage vermiesen lassen. Er geniesst die „sturmfreie Bude“ und stimmt sich auf das Weihnachtsfest ein. Doch die Familie fehlt ihm zusehends und er findet heraus, dass es das Einbrecherduo Harry (Joe Pesci) und Marv (Daniel Stern) – auch bekannt als die feuchten Banditen – auf das Hab und Gut seiner Familie abgesehen haben. Dieses will er jedoch entschieden verteidigen.
Zum unverwüstlichen Zauber von «Home Alone» tragen die themenreiche Filmmusik und Weihnachts-Lieder im typischen Carol-Stil wie Somewhere in My Memory und Star of Bethlehem von John Williams und mit Liedtexten von Leslie Bricusse gewichtig bei. Williams kredenzt mit Celesta, Glockenspiel, tanzenden Streichern, warmen Holzbläsern und Gesang einen unwiderstehlichen Festtagszauber.
Komponiert im Sommer
Noch im Juli 1990 erklärte John Williams in einem Interview mit dem Boston Globe, dass er aktuell an keinem Film arbeite. Er war mit dem Komponieren eines Konzerts für Klarinette und mit dem Umzug seines Büros nach Kalifornien beschäftigt. Doch kaum war das neue Büro eingerichtet, überzeugte ihn ein Freund, sich eine Spezialvorführungen einer frühen Filmversion von «Home Alone» anzuschauen (diese war stellenweise unterlegt mit Musik von Dave Grusin, komponiert für den Film «Murder by Death» aus dem Jahr 1976). Das war im August 1990, doch nicht mal sommerliche Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad liessen Williams an dieser Weihnachtskomödie zweifeln. Armin Steiner, ein Arbeitskollege von Williams, erinnert sich: „Ich arbeitete an Musikaufnahmen für eine TV-Show, als John plötzlich durch die Tür in den Tonregieraum platzte. So was tat er sonst nie. Aufgekratzt sagte er, dass er soeben einen Film gesehen hätte, der ein ‚grosser, grosser Hit’ sein werde.“
Williams: „Bei diesem Film überkam mich nach dem ersten Screening dasselbe Gefühlt wie damals bei «E.T.»., obwohl «Home Alone» nicht dieselben epischen Dimensionen aufwies. Der Film handelt von Weihnachten, Kindheit, Familienleben, Festtagszeit. Ihn umweht ein zauberhafter Hauch von Charles Dickens-Erzählungen, eine wohlige nostalgische Note.“
«Home Alone» im Dezember 2018 im KKL Luzern, gespielt vom City Light Symphony Orchestra und vom Chor der Universität Luzern.
Unser Konzert-Tipp
«Home Alone» – in Concert
City Light Symphony Orchestra
Freitag, 27. Dezember 2024 | 18:30 Uhr
KKL Luzern · Konzertsaal
Jingle Bells trifft Dies Irae trifft Williams
Wenige Tage später unterzeichnete Williams die Vertragspapiere und nach dem Labor Day-Wochenende begann er anfangs September 1990 mit komponieren – draussen herrschten über 30 Grad. Die Filmemacher von «Home Alone» wünschten eine Musik angelehnt an das Schaffen des sowjetischen Komponisten Sergei Prokofjew, der unter anderem das weltberühmte Musikmärchen „Peter und der Wolf“ (1936) komponierte. Zudem spielen im Film Weihnachtslieder natürlich eine wichtige Rolle.
Williams liess einige traditionelle Weihnachtslieder von seiner Kollegin Angela Morley neu orchestrieren, damit sich diese klanglich mehr an seine orchestrale Filmmusik anschmiegten. Von seinen fünf Leitmotiven für die Filmmusik adaptierte Williams indes auch zwei Themen zu eigenen Weihnachtsliedern – Somwhere in My Memory und Star of Bethlehem, wobei Leslie Bricusse die Liedtexte dazu verfasste.
Im Ergebnis kredenzte Williams einen unwiderstehlichen Festtagszauber, der auch Reminiszenzen an Tschaikowskis „Nussknacker“-Ballett erklingen lässt und für die Filmfigur des unheimlichen Nachbars Marley auf schauerliche Art und Weise die ersten vier Töne des berühmten Dies Irae aufblitzen lässt.
Williams rückblickend: „Ich hatte viel Spass während meiner Arbeit an «Home Alone». Der Film ist unverblümt sentimental, klar, aber auf eine gute Art und Weise, wie ich finde.“
Williams liess sich denn auch nicht zwei Mal bitten, für die Fortsetzung «Home Alone 2 – Lost in New York» zwei Jahre später wieder zum Taktstock zu greifen.
© 1990 Twentieth Century Fox