„Bond muss sich sein Titelthema verdienen“

Es war der langjährige gehegte Traum vom legendären Filmproduzenten Albert R. Broccoli (1909–1996), den ersten «James Bond»-Roman von Ian Fleming zu verfilmen. Broccoli produzierte von «Dr. No» bis «Goldeneye» alle 007-Filme von 1962 bis 1995 – mit Ausnahme von «Casino Royale» von 1967, der damals als eine Parodie mit Peter Sellers in der Hauptrolle verfilmt wurde. „Für meinen Vater war «Casino Royale» der heilige Gral“, erinnert sich dessen Tochter und aktuelle Bond-Produzentin Barbara Broccoli. Nach «Die Another Day» aus dem Jahr 2002, wollten die Produzenten den Agenten 007 neu aufleben lassen. Barbara Broccoli: „Wir wollten einen schlagkräftigen Film machen. Wir wollten «Casino Royale» so verfilmen, wie er es vor Jahren verdient gehabt hätte.“ Ihr Produktionskollege Michael G. Wilson ergänzte: „Wir wollten zurück zu den Anfängen, zum Fundament von James Bond, und dieses zeitgemäss auffrischen.“

So erzählt die Neuverfilmung von «Casino Royale» von Bond’s turbulentem Karrierestart, frisch versehen mit dem 00-Status und damit mit der Lizenz zum Töten. Sowie sich Bond seinen legendären Status als MI6-Agent erarbeiten muss, so wollte Komponist David Arnold auch dessen ikonisches Hauptthema im ganzen Film erst am Ende in voller Grösse erklingen lassen. Arnold: „Am Anfang des Films ist er noch nicht James Bond, wie wir ihn kennen und lieben. Wieso sollten wir also das legendäre James Bond Theme spielen?“

Ian Fleming, Schöpfer der Romanfigur James Bond.

„The Name is Bond, James Bond“

Dieser konzeptionelle Entscheid von David Arnold, der vor «Casino Royale» bereits die Bond-Abenteuer «Tomorrow Never Dies» (1997), «The World is Not Enough» (1999) und «Die Another Day» vertont hat und damit zu den vertrauten Bond-Mitwirkenden gehörte – er wurde sogar bezüglich dem Casting von Daniel Craig als neuer Bond beratend beigezogen –, sorgte zu Beginn für viele Diskussionen. Arnold: „Die Frage, die sich uns stellte, war: War das Zurückhalten des weltberühmten Titelthemas nichts anderes als ein netter, intellektueller Trick unsererseits, den ein paar der Zuschauer bemerkten, andere jedoch von der berühmten Figur entfremdeten? Wir diskutierten diese Idee sehr intensiv. Meine Idee war, die Filmmusik für «Casino Royale» deutlich nach typischer «James Bond»-Musik klingen zu lassen, ohne das berühmte Hauptthema in voller Länge zu spielen. Also arbeitete ich Referenzen des Titelthemas in die Musik ein – die charakteristische Orchestration, die vertraute Bass-Linie. Er sollte sich sein Thema Stück für Stück verdienen: Wenn er sein erstes Pokerspiel gewinnt, wenn er sich hinter das Steuer des Aston Martin DB5 setzt, wenn er seinen Smoking anzieht. Mit diesem fortschreitenden Themenaufbau konnte zum Finale hin dann auch der grosse Effekt mit dem vollen, kräftigen Themenzitat, wie es die ganze Welt kennt, erfolgen.“ Passend zu den Zeilen, die Daniel Craig zu jenem Zeitpunkt zum ersten Mal ausspricht: „The Name is Bond, James Bond.“

Das «Gockel-Gehabe» von James Bond

Zusammen mit James Bond machten sich im Jahr 1962 noch zwei weitere britische Gentlemen einen unsterblichen Namen: John Barry und Monty Norman. Barry nahm Normans Song Bad Sign, Good Sign und arrangierte diesen als Instrumentalstück für die Eröffnungssequenz von «Dr. No». Damit schuf er das James Bond Theme, das seither das akustische Markenzeichen dieser Filmserie ist und in keinem der bisher 24 Filme gefehlt hat. Mit der charakteristischen Mischung aus Rock-, Jazz- und klassischen Musikelementen, gepaart mit knackiger Perkussion, definiert es den Bond-Sound bis heute.

David Arnold: „Ich war von Kindsbeinen an ein riesiger «James Bond»-Fan. Besonders auch von der fantastischen Musik von John Barry“, so Arnold. Als er angefragt wurde, «Tomorrow Never Dies» zu vertonen, traf er sich im Vorfeld mit Barry auf ein Gespräch, wobei es zu einer denkwürdigen Szene kam. Arnold: „John Barry sagte mir ganz beiläufig: ‚Tu was Du möchtest, doch vergiss nie, dass es stets um Bonds Gockel-Gehabe gehen muss.‘ Ich war unsicher, ob er angetrunken war oder einfach einen Witz machte“, erzählt Arnold und lacht. „Doch je mehr ich seine Bond-Musik studierte, umso mehr glaubte ich zu verstehen, wie er das meinte.“ Bond habe eine unerschütterliche Selbstsicherheit, eine gewisse Blasiertheit. Wodka-Martini, viel Blei und anrüchige Sprüche sind unumstösslich mit Bonds Charakter verbunden – aufgeblasen, triebgesteuert, wie ein Gockel. Dies reflektiert Arnold auch mit seiner maskulinen Musik mit viel Blech. „Ich wollte den Musikstil von John Barry unbedingt beibehalten. Seine Musik hat diese Filmfigur über weite Strecken definiert.“ Doch auch für emotionale, schwelgerische Stücke gibt es Platz im «Bond»-Universum. „Natürlich gefällt es mir, Actionmusik zu komponieren, doch fühle ich mich mit den emotionaleren, ruhigeren Passagen meist stärker verbunden. So gefiel mir die Arbeit an Stücken wie City of Lovers für «Casino Royale» besonders gut. Auch solch schwelgerische Momente machen für mich die Figur von Bond aus.“

Komponist John Barry, der basierend auf einem Song von Monty Norman das ikonische «James Bond Theme» geschrieben hatte. Zur Figur von James Bond meinte er lax: „It must always be all about cock.“ (frei übersetzt: «Es muss stehts um Bonds Gockel-Gehabe gehen.»)


«Casino Royale» – in Concert
City Light Symphony Orchestra
Samstag, 26. Oktober 2024 | 19:30 Uhr
KKL Luzern · Konzertsaal


Komponist David Arnold (links) und Singer/Songwriter Chris Cornell im Studio.

„You Know My Name“

Seit dem zweiten Bond-Film, «From Russia with Love» (1963), etablierte sich ein weiteres musikalisches Markenzeichen: der Titel-Song. Auch diese Ingredienz verlieh der Filmserie fortan Kultcharakter. Songs wie Goldfinger (1964), You Only Live Twice (1967), Diamonds are Forever (1971), Goldeneye (1995) und auch You Know My Name aus «Casino Royale» wurden Chart-Hits und sind noch heute in ‚allerohren‘. Lia Vollack von Sony Pictures Entertainment: „Sie wollten einen hemdsärmeligen, schlagkräftigen, kantigeren Bond. In Bezug auf den Titelsong wollten wir daher etwas im Epic-Rock-Stil à la Paul McCartney’s Live and Let Die, ein Song mit Kanten.“ So wurde schnell beschlossen, dass ein männlicher Sänger engagiert werden soll. David Arnold: „Daniel Craig stellt Bond sehr körperbetont, männlich, rau und ‚ungeschliffen‛ dar. Diese Qualitäten sollte auch der Titelsong haben.“ Lia Vollack hat schon früh den Sänger Chris Cornell von der Grunge-Band Soundgarden vorgeschlagen. Vollack: „Chris ist ein fantastischer Song-Writer und hat eine sehr facettenreiche Rockmusik-Stimme. Diese Kombination schien mir stimmig zu sein.“ Christ Cornell und David Arnold trafen sich im März 2006 auf dem Filmset in Prag und besprachen Ideen für den Titelsong. Danach komponierten Chris zuhause in Paris und Arnold in seinem Studio in London. Arnold: „Als wir später zusammensassen und uns auf verschiedenen Gitarren unsere Ideen vorspielten, klang es, als ob wir vom selben Song je eine andere Facette auskomponiert hatten. Es harmonierte perfekt.“ Arnold verpasste dem Song You Know My Name den markenten Anfang, der ganz bewusst aus dem James Bond Theme-Stil herausgearbeitet wurde. Wie es der Titel des Songs andeutet, sollte der Song aus familiären Elementen bestehen – er soll den Brückenschlag vom „ungeschliffenen“ Agenten zum legendären 007 James Bond vollziehen.