Komponist Thomas Newman spricht in diesem Interview aus dem Jahr 2019 über seine Arbeit an «James Bond – Skyfall». Nach vielbeachteten Aufführungen 2019 und 2021 eröffnet das City Light Symphony Orchestera seine Konzertsaison 2023/24 mit zwei exklusiven Aufführungen von «James Bond – Skyfall» am 20. und 22. Oktober 2023 im KKL Luzern. >> Tickets!
Wie sind Sie in «Skyfall» involviert worden?
Mit Regisseur Sam Mendes arbeite ich seit 1999 zusammen. Als ich hörte, dass er die Regie für «Skyfall» übernehmen wird, wandte ich mich an ihn und fragte, ob er auch hier eine Zusammenarbeit in Betracht ziehen würde. Er sagte ja und 2010 fand bereits das erste Treffen in Los Angeles statt. Anfang 2011 reisten wir nach London, um uns mit den Produzenten von EON, Barbara Broccoli sowie Michael und Gregg Wilson, zu treffen. Mit dem Komponieren der Filmmusik habe ich 2012 begonnen. Es war also ein ziemlich langwieriger Prozess.
Unterscheidet sich die Arbeit an einem Bond-Film von der Arbeit an anderen Filmen? Gibt es Elemente aus früheren Bond-Filmen, die gleichbleiben müssen?
Ja, ich denke schon. Gerade weil die Leute von einem Bond-Film auch in Bezug auf die Musik bestimmte vertraute Elemente erwarten; weil diese zu einem definierenden Teil dieser Welt geworden sind. Darüber hinaus machte ich mir aber auch Gedanken darüber: „Was kann ich Neues hinzufügen, das sich von den bekannten Mustern differenziert, diese jedoch trotzdem würdigt?“
Wie haben Sie Ihre Kompositionsarbeit angefangen?
Als Filmkomponist frage ich mich beim Betrachten einer Szene jeweils, was diese Szene dramatisch macht, worin Handlung und Psychologie fussen. Dann versuche ich, mir musikalisch einen Zugang zu verschaffen – ob mit einem bestimmten Akkord, einem prägnanten Rhythmus, oder einem spezifischen musikalischen Farbton. Das ist in der Regel mein Startpunkt.
Thomas Newman zählt zu den bekanntesten Filmkomponisten der Gegenwart. Er hat Musik für mehr als 80 Spielfilme und Fernsehserien komponiert, wobei er bis dato 14 Oscar®-Nominierungen, einen Emmy Award und sechs Grammy Awards erhalten hat.
«Skyfall» eröffnet in Istanbul. Worin lagen die Herausforderungen, Musik für diese lange Action-Sequenz zu komponieren?
Das war einschüchternd. Ich wusste, dass es eine packende, aufregende Tour-de-Force werden musste. Alle Ohren des Produktionsteams waren gespannt darauf zu hören, wie ich dies angehen würde. Als Komponist von Filmmusik verfüge ich zwar über vieljährige Erfahrung und ich glaube daher zu wissen, was ich tue. Aber in Bezug auf Bond-Filme, auf Istanbul, auf fremdländische Orte und deren musikalisches Porträt bestehen viele Erwartungshaltungen, die ich zu erfüllen hatte. Daraus ergaben sie berghohe Herausforderungen für mich.
Eine weitere Schlüsselszene ist die Londoner Verfolgungsjagd. Worauf haben Sie hier beim Komponieren geachtet?
Es ging darum, Spannung aufzubauen. Gleichzeitig musste ich Szenen im Untersuchungsausschuss anerkennen, in welchen Spannung primär mit Dialogen erzeugt wird und damit nicht direkt im Bild zu sehen ist. Es war eine fordernde Aufgabe, das Tempo und den Schwung über die ganze Sequenz zu bewahren, auch während den dialoglastigen Szenen. Hierüber habe ich mich mit Sam [Regisseur] viel unterhalten – das Triangulieren der Ereignisse, denn diese Sequenz ist nicht nur eine Action-Szene, sondern sie zeigt auch M bei einer Anhörung. Die Musik musste das Tempo der Jagd und gleichzeitig die Dialoge berücksichtigen.
Welche Erfahrungen haben Sie während der Arbeit mit dem Bond Theme gemacht und worin sehen Sie den Grund, dass dieses Thema zu einer solchen Ikone der Musik geworden ist?
Nun, das Thema ist einfach gut. Ich erinnere mich, dass wir während der Musikaufnahmen einen Teil des Bond Theme, arrangiert von David Arnold [Arnold schrieb die Filmmusik zu den Bond-Filmen von 1997 bis 2008], aufgenommen haben, um den Einstieg in diese Welt zu finden. Und dies hat funktioniert, weil es mit diesem Thema einfach grad klick macht. Das ist eindrücklich.
Unser Konzert-Tipp
«James Bond – Skyfall» – in Concert
City Light Symphony Orchestra
Freitag, 20. Oktober 2023 | 19:30 Uhr
Sonntag, 22. Oktober 2023 | 17:30 Uhr
KKL Luzern · Konzertsaal
Wie unterstützen Sie mit Ihrer Musik die gezeigten Bilder?
Ich möchte, dass meine Musik das Publikum anspricht, dessen Erlebnis verstärkt. Im Fall von «Skyfall» wollte ich die berauschenden Drehorte wie Istanbul, Shanghai und Macau in meiner Musik reflektieren und damit Distanz abbauen. Ich wollte, dass die Erfahrung für das Publikum durch die Musik physisch wird und ihm ein Gefühl für die Dimensionen dieser Geschichte vermittelt. Es gibt Momente, in denen ich dies mit meiner Musik machen konnte. Und dann gibt es natürlich auch Sequenzen, während denen die Musik primär darauf abzielen musste, Herzklopfen und Spannung zu erzeugen… sie muss die Geschichte mit Bewegung und Kraft vorantreiben.
Sie haben die Musik in London aufgenommen. Wie haben Sie dies erlebt?
Ja, wir durften in den berühmten Abbey Road Studios aufnehmen, was eine grosse Ehre war. Obwohl ich in Los Angeles lebe und arbeite, zügelte ich mein Studio für dieses Projekt in die Abbey Road Studios und schrieb meine Filmmusik vollständig in London, wobei ich mit einer Londoner Crew und lokalen Musikern zusammenarbeiteten durfte.
Mit was für einer Orchesterbesetzung haben Sie gearbeitet.
Definitiv einzigartig für mich war, dass wir für den grössten Teil der Musikaufnahmen keine Holzbläser in unserem Orchester hatten. Es bestand aus Streichern, einem ziemlich grossen Blechbläser-Register mit vier Trompeten, sechs Hörnern, vier Posaunen und einer Tuba sowie zwei Harfen. Darüber hinaus hatten wir viele separate Aufnahmen mit Gitarren, Perkussion, Synthesizer und anderen Instrumenten, die für Klangfarben, Akzentuierungen und die Einbindung elektronischer Elemente in die Musik entscheidend waren. Am Ende ging es darum, all diese eingespielten Elemente so zu kombinieren, dass es passte. In der Partitur hielt ich das Grundgerüst der Komposition fest, dann wurden einzelne Elemente mit einer kleinen Gruppe von Solistinnen und Solisten und anschliessend mit einem Orchester aufgenommen. Danach fällt man Szene um Szene die Entscheidung, was nun mit Soundeffekten und Dialogen optimal funktioniert. Im Zuge dieser Arbeit verwirft man auch ursprüngliche Ideen. Und natürlich schaut auch Sam [Mendes / Regisseur] immer wieder vorbei und äussert seine Meinungen darüber, was für ihn funktioniert und was nicht. Ich meinerseits versuche so lange als möglich bezüglich der musikalischen Entscheidungen unbefangen zu bleiben, um am Ende die eingeholten Meinungen bestmöglich berücksichtigen zu können.
Der Titelsong stammt von Adele. Haben Sie mit ihr zusammengearbeitet?
Nein, ich habe leider nicht persönlich mit Adele arbeiten können. Ich hatte anfangs ein paar Mal Kontakt mit ihrem Co-Autor Paul Epworth und später adaptierte mein Orchestrator, J.A.C. Redford, die Titelsong-Arrangements für die Orchesteraufnahmen mit den Streichern und Blechbläsern. Paul war es ein grosses Anliegen, den Sound der klassischen Bond-Songs zurückzubringen – im Stil von «Goldfinger» und «Thunderball». Dies ist ihm, meiner Meinung nach, hervorragend gelungen, wobei Adeles Stimme mit dem inhärenten Bond-Klang perfekt dazu beiträgt.
Wie ist es, mit Regisseur Sam Mendes zu arbeiten?
Sam ist unglaublich akribisch und fordernd, bleibt dabei aber stets freundlich. Er selbst strebt immer nach bestmöglichen Ergebnissen und fordert dies auch von seinen Teamkollegen. Dabei gibt es Momente, wo ich denke, „das hat nun weh getan!“. Man arbeitet hart, aber seinem geschulten Ohr entgeht nichts. Er hört immer sehr genau hin und oft hört er Dinge, die er anschliessend ungeschönt kommentiert. Doch ich kenne ihn seit seinem ersten Film, «American Beauty» (1999), und seither haben wir bereits viele Wege gemeinsam beschritten [«Skyfall» markierte deren fünfte Zusammenarbeit]. Es ist eine Freude mit ihm zu arbeiten.
Die Veröffentlichung von «Skyfall» im Jahr 2012 fiel zusammen mit dem 50-jährigen Bestehen der Bond-Franchise. Gibt es für Sie spezielle musikalische Bond-Momente?
Thunderball gesungen von Tom Jones. Dieser Song ist unglaublich rockig und einfach grossartig. Zudem der Titelsong Goldfinger. Man hört diesen Song zu Beginn des Films und realisiert später, dass dieser Song die gesamte Filmmusik ausmacht. Jedes Mal, wenn man Musik hört, ist es eine Abwandlung dieses Songs. Die anziehende Selbstsicherheit, die Koketterie und die Smoking-Stimmung wirken tatsächlich seit Jahren attraktiv.